Borodino (1837)

 

 

- Sag, Onkel, dass ganz Moskau brannte,

Und Franzmann es dann überrannte,

Geschah dies einfach so?

Man kämpfe doch, als man sich wehrte,

Wie man erzählt, noch voller Härte!                                                   

Es stimmt doch, dass euch Russland ehrte     

Zum Tag Borodino?                                    

 

- Ja, damals waren große Recken

Von andrem Schlag, dem Feind zum Schrecken:

Da es noch Helden gab!

Ihr Los war schlimm: denn heimwärts kehrten       

Nicht viele von den Hochgeehrten...       

War Herrschaftswille, Feinde wehrten

Wir sonst vor Moskau ab!                   

 

Lang wichen wir zurück und schwiegen,

Wir brannten drauf, den Feind zu kriegen,

Die Alten murrten vorn:

„ Was nun? Hier überwinternd sitzen?

Ob all die Kommandanten schwitzen

Und fürchten, Feinde zu zerschlitzen?

Sie kennen unsren Zorn!“                                  

 

War große Wiese erst gefunden,          

Zerstreuten wir uns zum erkunden

Und bauten Schanzen bald.

Dann lauschten wir, es gab kein Schonen!

Kaum schien das Licht auf die Kanonen,

Und auf den Wald der blauen Kronen –

Franzose kam geballt.

 

Das Rohr verstopfte ich mit Ladung,

Und dachte: Freund, für dich zur Labung!

Monsieur, halt bitte stand!

Wozu die List, zum Kampfe bitte;

Wir brechen durch des Feindes Mitte

Und opfern uns mit jedem Schritte

Für unser Vaterland!

 

Wir warn im Schusswechsel zwei Tage.

Was bringt solch nichtsnutzige Lage?

Ersehnt war dritter Tag,

Von überall schallten Gespräche:

„Kartätsche her, dem Feind zur Schwäche!“,

Dann sank die Nacht auf Kampfesfläche,   

Die grimm im Schatten lag.

 

 Ich döste nahe bei Lafette,

Den Jubel der Franzosen hätte

Man nachts nicht überhört.

Bei uns glich Stille einer Flaute:

Man wetzte Bajonett, zerkaute

Sein Schnurrbart, wusch sein Tschako, schaute

Rundum, schlief ungestört.                        

 

Sobald sich Licht am Himmel regte,                                  

Und alles raschelnd sich bewegte,

Da ging es auf und ab.

Der Oberst - kühn und gut geraten,

Er war ein Vater für Soldaten,

Dem Zaren treu, nach großen Taten

Liegt leider nun im Grab -

 

Bewegt schrie er aus freien Stücken:

 „Hört, Jungs!, ganz Moskau steht im Rücken!              

Wir sterben ebenso,

Wie die vor uns, die Ruhm erwarben!“

Wir sagten zu und trugen Narben,

Erfüllten unsren Eid und starben

Im Kampf Borodino.

 

Was für ein Tag! Dem Rauch entsprossen                       

Franzosen - Wolken gleich entschlossen -

Und stürmten Schanzen dort.

Ulanen, deren Zeichen glänzen,

Dragoner mit den Pferdeschwänzen

Den Blitzten gleich bestürmten Grenzen,

Es wimmelte vor Ort.

 

Dergleichen wird man nie vernehmen!..

Getragne Fahnen glichen Schemen

Im Rauch vom Feuerwerk,

Kartätsche summte, Stahl entflammte,

Ermüdet schlug man sich und rammte,

Was ein Geschoss im Flug oft schrammte

War hoher Leiberberg.

 

Der Feind hat an dem Tag erfahren,

Wie mutig unsre Russen waren,

Bekämpfend Mann um Mann!..

Gleich Brüsten – bebten Grund und Trosse,

Man stritt im Pulk zu Fuß, zu Rosse, 

Es fingen Tausende Geschosse

Mit lauten Salven an...

 

Es dämmerte. Schon früh am Tage

War man bereit zum nächsten Schlage,

Für viele letztes mal...

Nun fingen Trommeln an, zu schallen -

Die Feinde wichen vor uns allen.

So viele sind von uns gefallen,

Nun kannte man die Zahl.

 

Ja, damals waren große Recken

Noch voller Macht, dem Feind zum Schrecken:

Da es noch Helden gab.

Ihr Los war schlimm: denn heimwärts kehrten

Nicht viele von den Hochgeehrten.

War Gottes Wille, Feinde wehrten

Wir sonst vor Moskau ab!

 

 

 Dankbarkeit (1840)

 

 

Für alles, alles, will ich Danke sagen:

Für Qual der Lust, erzürnten Tränenfluss,

Für Rache meiner Feinde und Ertragen

Gemeiner Freunde, giftdurchtränkten Kuss;

Für Seelenbrand, vergeudet in der Wüste,

Für all den Lug und Trug in meinem Sein

Dass ich ab heute dir nicht danken müsste,

Nie wieder, richte es doch bitte ein!

 

 

Der Felsen (1841)

 

 

Es war Nacht, ein goldnes Wölkchen ruhte

Auf der Brust des Riesenfelsens liegend;

Morgens spielte es, bald weiter fliegend,

Im azurnen Blau mit frohem Mute;

 

Feucht blieb eine Spur von seiner Reise

In der runzeligen Felsenspalte.

Einsam in der Wüste – steht der Alte,

Grübelt unentwegt und weint ganz leise.

 

 

Der Prophet (1841)

 

 

Seitdem gerechter Herrgott mich

Als Seher lehrte zu verkünden,

In Menschenaugen lese ich

Die Seiten voller Hass und Sünden.

 

Ich kündigte die Liebe an,

Die wahren Lehren und die reinen:

Doch mich bewarf die Sippschaft dann

In Raserei nur mit den Steinen.

 

Mit Asche stäubte ich mein Haupt,

Als Bettler mied ich Städte weise:

Im Wüstenreich lebt Mensch, der glaubt,

Wie Vögel von der Gottes Speise;

 

Mir folgt das irdische Getier

Seit ich Vermächtnis Gottes hüte;

Auch Sternenschar gehorcht nun mir,

Die froh im Strahlenspiel erglühte.

 

Durcheile ich die Stadt jedoch,

Von meinem Schicksal so entschieden,

Die Alten raten, lächeln noch,

Die Kinder warnend selbstzufrieden:

 

„Nimmt euch ein Beispiel: schaut mal her!

Aus Stolz, hat er uns nicht ertragen:

Strohdumm, beweisen wollte er,

Er würde Gottes Worte sagen!

 

Schaut her, wie er vor uns erschien:

Wie dünn und bleich er ist, erbärmlich!

Schaut, Kinder, er ist nackt und ärmlich,

Wir hassen und verachten ihn!“

 

 

Der Tod des Dichters (1837)

 

 

Der Dichter starb! - die Ehre achtend

Er fiel, von dem Gerücht gehetzt,

Die Brust voll Blei, nach Rache trachtend,

Das Haupt gebeugt, im Stolz verletzt!

Durch Schmach und kleinliche Verleumdung

Erlitt die Seele große Not,

Er widerstand gemeiner Meinung

Allein wie immer... ist er tot!

Er starb!... was sollte noch das Weinen,

Der hohlen Lobgesänge- Chor,

Erklärungen, die kläglich scheinen?

Das Schicksal hatte es so vor!

Habt ihr die kühne, freie Gabe

Zuerst so bösartig gejagt?

Mit eurem spaßigen Gehabe

Die Glut entzündend, viel gewagt?

Nun? Seid vergnügt... die letzte Schramme

Ertrug er nicht, es war zu viel:

Genie erlosch wie Fackelflamme,

Wie Siegeskranz zuletzt zerfiel.

 

Sein Mörder handelte kaltblütig,

Schlug zu... und Rettung nicht in Sicht:

Das Herz ist leer und schlägt gleichmütig,

Pistolenhand erbebte nicht.

Kein Wunder!.. fremd hier aufgenommen

Wie Hunderte schon auf der Flucht,

Hat er bloß Glück und Rang gesucht,

Blind ließ ihn Schicksal zu uns kommen;

Er schonte nichts, verlachte grob 

Des fremden Landes Wort und Sitte,

Verkannte Ruhm in unsrer Mitte

Und gegen wen mit rohem Schritte

Er blutrünstig die Hand erhob!..

 

Er ruht im Grab – im Tod beklommen,

Wie fremder Sänger, liebreizend vernommen,

Den tauber Neid als Beute fand,

Von ihm voll Kraft besungen, so vollkommen,

Ihm gleich vernichtet mit der gnadenlosen Hand.

 

Warum verließ er friedvoll schlichte Freundschaftsfreuden,

Um Zeit mit neidvoll dumpfen Welten zu vergeuden,

Dem freien Herzen fremd, in Leidenschaft entbrannt?

Was zwang ihn, den Verleumdern seine Hand zu geben,

Die falsche Freundlichkeit der Schmeichler zu erstreben,

Er hat sich doch mit Menschen ausgekannt?

 

Den letzten Kranz nahmen sie ab -  stattdessen setzten

Sie Schlehenkranz auf edle Stirn, er war bedeckt

Mit Lorbeerblättern, so verletzten

Ihn raue Dornen, gut versteckt;

Die letzten Augenblicke warn vergiftet schändlich

Durch Spott und Hohngeflüster, flegelhaft gemein,

Er starb – umsonst war Rachedurst letztendlich,

Vom Trug der Hoffnungen enttäuscht für sich allein.

Verstummt sind zauberhaften Klänge

Der Lieder für die Ewigkeit:

Des Sängers Heim ist finstre Enge,

Den Mund schließt Siegel allezeit.

 

Doch ihr, so hochnäsige Erben

Der Väter, nur berühmt durch manche miese Tat,

Mit eurem Sklaventritt zerstampftet ihr die Scherben

Der Ahnen, die dss Spiel mit Glück gepeinigt hat!  

Ihr schart euch um den Thron, zerfressen vom Begehren,

Geschlachtet habt ihr Freiheit, Ruhm und das Genie!

Gesetze wisst ihr heimlich abzuwehren,

Denn Wahrheit und Gericht - stets schweigen sie!

Doch gibt es Gottes Recht, ihr Jünger von Verbrechen!

Streng wartend: sein Gericht;

Man kann es nicht mit Gold bestechen,

Es lässt nicht Taten und Gedanken außer Sicht.

Vergeblich wäre es, Verleumdungen zu zischen:

Es hilft euch nicht, wenn ihr es tut,

Ihr schafft`s nicht, reines Blut des Dichters abzuwischen

Mit eurem ganzen schwarzen Blut!

 

 

Ein Engel (1831)

 

 

Ein Engel umgeben von himmlischer Pracht

Sang still in der Tiefe der Nacht;

Es hörten die Wolken, die Sterne, der Mond

Gesänge geheiligt vertont.

 

Die Weise, die Reinheit der Seeligkeit pries 

Im blühenden Reich - Paradies,

Erzählte vom mächtigen Gott und erhob

Ganz ohne zu heucheln sein Lob.

 

Er trug für die Welt voller Trauer und Harm

Die blutjunge Seele im Arm;

Sein Liedklang verblieb ohne Worte im Ohr

Lebendig wie niemals zuvor.

 

So lange im Diesseits hat sie sich gequält

Von seltsamen Wünschen beseelt,

Nie könnte der irdische, öde Gesang

Ersetzen den himmlischen Klang.

 

 

(1841)

 

 

Einen Weg betrete ich alleine,

Steinig glänzt er durch die Nebelschicht;

Nachts ahnt Wüstenreich das Göttlich Reine,

Wenn von Stern zu Stern die Stille spricht.

 

Himmelreich scheint wunderbar und festlich!

Und die Erde schläft im blauen Licht...

Voller Schwermut bin ich und es schmerzt mich,

Was erwarte ich? bereu ich nicht?

 

Mehr im Leben wird mir nicht beschieden,

Ums Vergangne tut es mir nicht leid;

Ich ersehne Freiheit nur und Frieden,

Tiefen Schlaf und die Vergessenheit!

 

Doch ich will nicht kalt im Grabe liegen...

Schlaf für immer schwebt mir eher vor,

Lebenskraft soll nie in mir versiegen,

Stiller Atem hebt die Brust empor;

 

So dass Tag und Nacht unsäglich rührend

Liebeslieder klingen, gern belauscht,

Immergrüne, dunkle Eiche spürend,

Wie sie über mir sich neigt und rauscht.

 

 

Heimat (1841)

 

 

Mein Vaterland lieb ich so sehr, doch eigentümlich!

Den Sieg hierbei erringt nicht mein Verstand,

Nicht teurer Blutzoll, noch so rühmlich,

Nicht Ruhe, die durch stolze Zuversicht entstand,

Noch heilig scheinende, vorzeitlich dunkle Sage -

Es brachte nichts davon die Hingabe zutage. 

 

Doch liebe ich - weiß nicht warum - zugleich

Die Art, wie seine kühlen Steppen schweigen,

Wie sich die weiten Wälder wiegend neigen, 

Die Flüsse sich erweitern wie ein Meeresreich;

Gerüttel im Gespann, wenn wir durch Felder fahren,

Wenn durch die Schatten tiefster Nacht mein Blick erspäht,

Nach Übernachtung seufzend, kleine Lichterscharen

Betrübter Dörfer, wie sie seitwärts zittern spät;

Ich mag wie Stoppelfelder qualmen,

Im Steppengras verschlafnen Tross,

Zwei Birken zwischen Ackerhalmen

Auf gelbem Hügel weiß und groß.

Voll Glück, das man nicht oft erweckte,

Schau ich die volle Tenne an,

Die kleine Hütte, strohgedeckte,

Geschnitzte Fensterläden dran;

Beim Fest, von frischer Abendstunde

Bis Mitternacht, schau ich vorbei,

Es stampft und pfeift die Tänzerrunde,

Betrunknes Volk tratscht vielerlei.

 

 

Wolken (1840)

 

 

 Himmlische Wölkchen, ihr immerfort treibenden!

Perlen die bläuliche Steppe durchziehenden,

Beute wie ich, eilt davon, ihr nie bleibenden,          

Südwärts dem lieblichen Norden entfliehenden.

 

Scheuchen euch Schicksal und schlimme Ereignisse?

Offene Bosheit? Intrigen, missgönnende?

Oder bedrücken euch dunkle Geheimnisse?

Oder die Freunde, euch tückisch verhöhnende?

 

 Nein, nur die Felder warn öde, die fruchtlosen...

Fremd sind euch Triebe und Schmerzen sind rätselhaft,

Ewig eiskalt könnt ihr frei sein und rumtosen,

Heimatlos, zwingt man euch nicht auf die Wanderschaft.

 

 

(1840)

 

 

Zwischen Himmelskörpern glimmt

Mond in Nebelschwaden:

Ach, wie rund und weiß er schwimmt!

Wie im Schmant – ein Fladen...

 

Nachts läuft er vom Licht umflort

Milchstrasse hinunter...

Sichtbar währt auf ewig dort

Himmels - Festzeit munter!