Atmen
ein
weißes Leinentuch gespannt
vom Baum zum Baum
und...
von Wand zur Wand
es breitet sich dahinter
breitet sich darüber
aus
ein
endlos weißes Feld
das Jegliches umrahmt
und...
Düsternis verheißt
denn es kommt ohne
eines transparenten Blau
aus
ein
Schritt nach vorne nur
es knirscht unter der Sohle
und...
zerfällt in winzige Partikel
der dünne Reif
er sieht wie weißes Pulver
aus
ein
Brennen zerrt
an meinen Lungen
und...
sie schmerzen wenn
dann jetzt im Einklang
ich halte es noch etwas länger
aus
das stark verdünnte Deckweiß
drückt auf die erstarrte Erde
es schließt sie unerbittlich
ein
und...
aus
dem Nichts entweichende Geräusche
verhallen unbeachtet:
die Welt hält ihren Atem an
und...
Dampf entweicht dem Mund
Es schneit
Gezeitenwechsel - Haiku
Es schneit nicht genug,
um einen faulen Apfel
ganz zu verdecken.
Perspektivenwechsel I
es raschelt knackt und bricht
die Äste unsichtbar vor lauter Wald
im Fall wie ich
weit mehr als
Tempo Zweige Münzen Blätter
verrutschtes Unterholz
und Herz am Boden
weit mehr als
diese eine Spinne
in einem Blick
der Schlüssel
und die Stille
Perspektivenwechsel II
als ich auf meine nase fiel
und blut floss nicht
war es fast so
als wäre nichts geschehen
verwundert bin ich dennoch:
von dieser perspektive aus
habe ich ES
noch nie zuvor betrachtet
Mit der Freundin V
Wir reden über Dinge, die einst waren,
So viele Menschen gaben uns Geleit,
Die Pfade sind verdeckt, doch wir erfahren
Vergangenes erneut, vom Schnee befreit:
*
So hatten wir einst einen jungen Lehrer,
Mit einem etwas seltsamen Humor,
Ihm zuzuhören fiel uns schwer und schwerer,
Er wusste es, doch war immun davor.
Ein Hauch von Lächeln war im Augenwinkel,
Hat er mal etwas uminterpretiert,
So folgerichtig wie ein Bau von Schinkel,
Gedanklich konstruiert und wieder ausradiert.
Sein Wissen war zu viel für unsre Ohren,
Doch Niemand störte seinen Monolog,
Ich hatte oft den Faden ganz verloren,
Im leisen, monotonen Stimmensog.
Nie sah ich ihn Geduld mit uns verlieren,
Der Dummheit folgte leise Ironie,
Er ließ mit sich die Noten diskutieren -
Ihn faszinierten solche Dinge nie.
Ein Mensch, mit dem ich gerne wieder spräche,
Mit feinem Sinn und tiefem Mitgefühl,
Der die Gewohnheit manchmal unterbräche,
Entlastend das alltägliche Gewühl.
Es ist ihm damals so wie mir ergangen,
Wenn ich zur Zeit mit jungen Leuten bin,
Durch Altersunterschied befangen,
War weitere Beziehung wohl nicht drin.
*
Beim letzten Jahrgangstreffen, unerwartet
War er dabei und - hörte diesmal zu,
Das Treffen war nicht so wie sonst geartet:
Wir waren erstmals im Gespräch auf du.
So müsste es wohl sein mit manchen Seelen,
Sie schwimmen in dem ewig gleichen Fluss
Und lassen sich von gleichen Dingen quälen.
Er blieb an meiner Seite bis zum Schluss.
Im Nachhinein denk ich, ist er gescheitert,
Zwar hat er sich politisch engagiert,
Er las und hat sein Wissen noch erweitert,
Doch hat er nicht nur Gutes konsumiert.
*
Und rundherum saß eine Menge Leute,
Die hätte ich woanders nie erkannt,
Es war nicht so, dass ich mich etwa freute...
Wie sind sie jetzt? Darauf war ich gespannt.
Da war zum Beispiel eine feine Dame
In einem eleganten schwarzen Kleid,
Mir fällt` s nicht ein, wie war noch mal ihr Name?
Im Mathekurs tat sie mir immer leid.
Sie konnte manche Dinge nicht verstehen,
Trat schüchtern auf und wirke etwas hohl,
Nun schien es ihr beruflich gut zu gehen,
Sie fühlte sich als Rechtsanwältin wohl.
Sie war charmant und grüßte uns beflissen,
Ganz sicher auf dem glänzenden Parkett,
Sie schien nichts in dem Leben zu vermissen,
War solo und Karrierefrau und nett.
*
Dann sah ich einen Freund aus meiner Clique,
Inzwischen tat er etwas distanziert,
Uns trennen unterschiedliche Geschicke,
Durch Ehe war die Freundschaft ausrangiert;
Ihn störte immer beim telefonieren,
Wenn ich von meinem Mutteralltag sprach,
Gespräche, die den Frauen imponieren -j
Na ja, er war ganz einfach nicht vom Fach.
*
Da war ein Kerl, der einen immer nervte,
Weil er von seiner Liebsten immer sprach,
Was seine Penetranz jedoch entschärfte,
War seine Ehrlichkeit, die doch bestach;
Wie oberflächlich, dachte ich vermessen,
Er hat zwar niemals andre anvisiert,
War aber sinnlich und von Sex besessen -
Und er war immer noch mit ihr liiert.
*
Dem Einen wäre ich sehr gern begegnet,
Er achtete auf andre Schüler nie,
Ein Ass in Mathe, mit IQ gesegnet -
Es wurde zum Professor das Genie.
*
Und? Konnte ich Veränderungen sehen?
Inzwischen war der Schmächtigste sehr dick,
Der Dünnste schien aus Muskeln zu bestehen,
Die Schlampigste war unerwartet schick.
Mich faszinierten aber manche Frauen -
Die Meinung über sie war antiquiert -
Sie strotzten vor gesundem Selbstvertrauen
Und hatten alle Praktisches studiert.
Ich weiß, im Kern sind wir wir selbst geblieben -
Nur älter werden hat uns zugesetzt -
Ich könnte Irrtümer auf Jugend schieben...
Schön wärs, ich hätte sie vielmehr geschätzt!
sinnfreie Selbstgespräche
Im seichten
Gewässer
Lautlos
Wie ein Fisch:
Diskus
Ionen
Diskos -
Äonen
Mit sich selbst
P.S. rational oder auch nicht...
oder ausschweifende Interpretationen literarischer Reduktionen:
1) Diskus*: eine Fischart u.A.
2) Diskos von Paesós (Fundort: Kreta, 1550 – 2014 v. Chr.): eine Steinplatte, beschriftet
Geht es um... ?
- einen griechischen König
- ein astronomisches Dokument
- ein antikes Spiel
- eine Botschaft des Talaio an die Kreter
- einen Kalender
- ein Sexualretual
- ein Dokument aus Atlantis
- einen Sternkompas
- ein Gebetlied zu Göttin Nana
- ein Planetarium
- eine Hymne an die minoische Schlangengöttin Ique
- einen Brief bzgl. Okkupation eines Thrones
à
„Diese Inschrift kann nicht entziffert werden.“ (Zitat: Die Entdeckung des Himmels, Harry Mulisch, 1992)
*Diskos (grichisch) à Diskus (lateinisch) = Scheibe/Platte
3) Ión (grichisch) = das Gehende/Wandernde à
Ionen** (chemisch/physikalisch) = elektronisch geladene Teilchen
** „Die Eigenschaften des Wassers haben grundlegende Bedeutung für das Leben auf der Erde. In der Natur kommt das Wasser nicht in Reinform vor, es enthält praktisch immer gelöste Stoffe (vorwiegend Ionen von Salzen), wenn auch möglicherweise in kaum messbaren Konzentrationen.“ (Suchbegriffe Wikipedia: Ionen, Wasser)
Mit der Freundin VI
Wir mögen uns und wollen hinterfragen,
Was die Beziehung so zusammenhält,
Warum wir uns schon lange gut vertragen,
Was uns an dem Beisammensein gefällt.
Es sind wohl kaum die gleichen Interessen,
Sie ähneln sich in manchen Dingen nicht,
An dem Erfolg wird Freundschaft nicht bemessen
Und gleiche Meinung fällt nicht ins Gewicht.
Wir haben uns gekannt als junge Leute,
Es war die schönste Zeit in unsrem Sein,
Die Freunde waren wichtiger als heute,
Inzwischen kämpft man oft für sich allein.
Warum sind manche Menschen uns sympathisch,
Weswegen sind wir manchen abgeneigt?
Warum geschieht es nicht ganz automatisch,
Dass Jemand in retour Gefühle zeigt?
„Es sind Erfahrungen, die uns verbinden“,
Sie spricht von kleinen Dingen jener Zeit,
Von Möglichkeiten, Neues zu empfinden,
Dabei entstehende Verbundenheit:
„Vielleicht liegt es ganz einfach am Vertrauen,
Das uns zum freien Reden animiert,
Wir müssen nicht auf jedes Wörtchen schauen,
Wir sind samt unsren Fehlern akzeptiert.
Wir müssten uns in manchen Dingen gleichen,
(Als Psychologin hat sie sicher Recht),
Probleme gab` s in ähnlichen Bereichen,
Oft fühlten wir uns beide ähnlich schlecht.
Uns quälte eine ähnliche Erscheinung:
Wir beide hatten immer so zu sein,
Wie man uns sah - für vorgefasste Meinung
Stand jedes Urteil fest, von vornherein.“
*
Und ich befürchte doch, dass manche Leute
Auf das, was attraktiv scheint, meistens stehen,
Begegneten sie sich vielleicht erst heute –
Ade und tschüss auf nimmer wiedersehen!
Nicht mal annähernd
ich
immer
irgendwo
irre: ein Traum
im toten Winkel
meiner Peripherie
nicht mal annähernd
nahe liegend
nirgendwo
niemals
nah